Beiträge

Netzwerke knüpfen mag nicht jedermanns Sache sein. Dass es wichtig ist, dürfte dennoch unstrittig sein. Es gehört zu Deinen Aufgaben als Nachfolger und Unternehmer.

Das war nicht immer so, und das naturgegebene Talent, dass einige Menschen dafür haben, fehlt mir ebenfalls. Ich habe für mich Mittel und Wege gefunden, damit umzugehen. Der Blogbeitrag heute hat zwei Hauptteile:

Zum Einen möchte ich die Hintergedanken erläutern, die Du als Nachfolger und Unternehmer vielleicht hast, wenn Du über Netzwerke nachdenkst. Oder einfacher ausgedrückt, was suchst Du, wenn Du Dich in einem Netzwerk engagierst? Zum Anderen möchte ich einige persönliche Empfehlungen aussprechen, die ich bisher erlebt habe.

Ziele von Netzwerken

Lass mich also mit den verschiedenen Zielen beginnen, die Du beim Netzwerken vielleicht haben könntest. Das offensichtlichste, was vermutlich auch jedem direkt einfällt, ist es, Geschäftskontakte zu knüpfen. Das war auch mein Einstieg in das Thema. Es gibt aber noch viele weitere Gründe, Netzwerke zu suchen. Da wäre zum einen Deine eigene Weiterentwicklung, denn als Nachfolger und Unternehmer hängt die Entwicklung Deines Unternehmens unmittelbar mit Deiner eigenen Entwicklung zusammen. Deshalb solltest Du hier auch Zeit, gerne auch viel Zeit, investieren.

Ein anderer Grund könnte das Feedback für Dich selbst sein. In Deiner Rolle ist es schwer, qualitativ hochwertiges Feedback zu bekommen. Teile davon kommen hoffentlich von Team, Partner oder Partnerin. Der größere Teil allerdings, den kannst Du nur von Menschen bekommen, die Deine Herausforderungen aus eigener Erfahrung verstehen.

Lobbyarbeit ist ebenfalls ein valides Ziel von Netzwerken. Ob nun gezielt für eine bestimmte Branche oder eine Region, oder aber als generelle politische Lobby, es gibt dafür Netzwerke, die diesen Schwerpunkt setzen

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die Option, mit Mitbewerbern oder zukünftigen Partnern in Kontakt zu kommen, ohne den vielleicht manchmal unangenehmen direkten Weg zu gehen

Einige Empfehlungen aus eigener Erfahrung

Obwohl ich finde, dass die eigene Präferenz hier nicht unbedingt jedem hilft, will ich einige Netzwerke für die oben genannten Zwecke empfehlen.

Beginnen möchte ich bei den Wirtschaftsjunioren Deutschland. Solange Du unter 40 bist, halte ich das für ein sehr wertvolles Netzwerk. Hier lernst Du möglicherweise Geschäftskontakte kennen. Viel wichtiger ist aber, dass Du Dich selbst weiter entwickeln kannst. Die Junioren leisten viel ehrenamtliche Projektarbeit in verschiedenen Bereichen. In diesen Projekten kannst Du nicht nur Deine Interessen ausleben, sondern auch essentielle Skills wie Rhetorik, Projektmanagement oder Kalkulation in einem geschützten Rahmen üben. Und nicht zuletzt entstehen durch diese Aktivitäten auch Freundschaften – also Menschen, die Dir ein qualitatives Feedback geben können. Es gibt fast überall regionale Unterorganisationen, bei denen Du einfach vorbeischauen kannst. Als kleiner Bonus wirst Du sehr nahe an die IHK herangeführt, sofern das für Dich relevant ist, denn die WJ sind eng mit den Industrie- und Handelskammern verbunden.

Wenn wir gerade dabei sind, IHK und HWK bieten Dir auch ein Netzwerk. Beide Kammern bieten zahlreiche Kurse, Vorträge und Veranstaltungen an, die Du besuchen kannst. Dabei werden sowohl Bildung, als auch Kontakte aller Art befördert. Da diese Angebote meist durch Deinen Mitgliedsbeitrag abgedeckt sind, ist es das im besonderen Maße wert.

Mehr Politik oder gezielte Lobby geht auch

Die Kammern sind schon politische Institutionen. Wenn Dir das nicht reicht, und Du ein Netzwerk suchst, in dem Politik mehr oder minder im Mittelpunkt steht, sind die Familienunternehmer bzw. der Bund Junger Unternehmer das richtige für Dich. Im Vergleich zu den WJ beispielsweise findet hier wenig Projektarbeit statt. Dafür gibt es eine Vielzahl hochkarätiger Netzwerkveranstaltungen für Kontakte einerseits und politische Interaktion bis hin zur Kanzlerin direkt andererseits. Der Verein ist diesbezüglich hochaktiv und versucht dabei, die Interessen seiner Mitglieder stark und sichtbar zu vertreten.

Je nachdem, in welchem Bereich Du aktiv bist, gibt es interessante Branchenverbände, deren Arbeit sich auch darauf fokussiert. Hier im Saarland gibt es zum Beispiel ME Saar für die Unternehmen aus dem Bereich Metall und Elektro. In meinem Feld gibt es Bitkom und Databund, und vermutlich noch dutzende, wenn nicht gar hunderte anderer Verbände für andere Bereiche. In jedem Fall kannst du hier gezielt Lobby für Deine Branche betreiben und triffst natürlich auch Mitbewerber und potentielle Partner.

Als letztes auf meiner Liste stehen für mich die Netzwerke, deren Schwerpunkt auf der Interaktion zwischen Wirtschaft und (Hoch-)Schulen liegt. Im Saarland wäre das z. B. der Arbeitskreis Schule Wirtschaft (AKW). Nicht nur, weil es mir ein persönliches Anliegen ist, sondern auch, weil es für Dich relevant ist. Irgendwo her kommt die nächste Generation Deines Teams. Wenn Du dann schon bekannt bist, oder gar Talente frühzeitig erkennst und mit ihnen in Kontakt kommst, hilft Dir das auf lange Sicht sehr.

Networking lohnt

Es gibt verschiedene Gründe, in Netzwerken aktiv zu sein, wovon Geschäfte zu machen nur einer ist. Dazu kommen noch Deine persönliche Entwicklung, das Treffen Gleichgesinnter, Lobbyarbeit oder der Kontakt zu Partnern, zukünftigen Mitarbeitern oder Mitbewerbern.

Ich kann Dir, je nach Schwerpunkt, einige Netzwerke empfehlen. Im besonderen Maße trifft das auf die WJD zu, bei denen ich nun schon einige Jahre bin und die mir als Mensch, als Unternehmer und für mein Unternehmen schon sehr viel gebracht haben. Dazu gibt es noch andere Netzwerke mit unterschiedlichen Schwerpunkten, bspw. Politik (ASU), Branche (Bitkom, ME Saar, etc.) oder Schule (AKW).

Das einzige, was ich Dir nicht empfehlen kann, ist in kein Netzwerk zu gehen.

Wenn es etwas hierzulande gibt, was definitiv zu gut funktioniert, ist es Bürokratie. Beispiele kennt vermutlich jeder von uns. Über eines musste ich in letzter Zeit besonders den Kopf schütteln.

EU-Fördermittel und ihre Bedingungen

2016 wurde das Förderprogramm Kompetenz durch Weiterbildung (KdW) vorgestellt und für Unternehmen verfügbar gemacht. Die Abwicklung der Anträge und die Auszahlung der Fördermittel erfolgt dabei über die FITT gGmbH.

Vorab muss ich eines sagen: Ich habe noch nie ein Förderprogramm gesehen, bei dem Antragstellung und -abwicklung so schnell und reibungslos waren, wie hier. Dem Team bei FITT gebührt dafür auch höchste Anerkennung. Sowohl die Formulare, als auch die Kommunikation sind, für bürokratiegeschädigte wie mich, eine wunderbar „leichte“ Abwechslung.

Allerdings hat die Geschichte dennoch einen kleinen, recht belustigenden Haken.

Nur „Originale“

An die Bewilligung und Auszahlung der Fördermittel sind zwei Bedingungen geknüpft, über die ich nur lachen kann (und weinen möchte). Zum einen verlangt die Abwicklung das Einreichen von Originalrechnungen.

So kommt es mir manchmal vor

So kommt es mir manchmal vor

Das klingt jetzt erst mal einfach. Was aber ist bspw. bei einer elektronischen Rechnung, die ausschließlich per Mail kommt und beliebig vervielfältigbar ist, das Original? In meiner Naivität dachte ich, ich kann einfach diese Mail weiterleiten – das war natürlich falsch. Nach einem Telefonat mit der Sachbearbeitung bei FITT reichten wir letztendlich einen Ausdruck per Post ein, auf den meine Buchhaltung einen handschriftlichen Vermerk machte. Ich persönlich finde das absurd – ich kann diese Rechnung beliebig oft ausdrucken, sie ist jedes Mal identisch. Das eine Kritzelei daraus mehr macht erscheint mir doch sehr weltfremd.

Ohne Stempel keine Kohle

Der Höhepunkt ist für mich aber die Anforderung, dass immer, bei allen Anträgen, ein Stempel benutzt werden muss. Auch wenn Stempel immer noch zur Grundausstattung vieler Firmen gehören – zeitgemäß ist das nicht.

Insbesondere deshalb, weil es keine einheitliche Stempelpflicht in der EU gibt. So zum Beispiel auch in Deutschland nicht. Inwiefern es also einerseits überhaupt gefordert werden kann und andererseits irgendetwas mehr legitimiert, ist mir völlig schleierhaft. Jeder Mensch kann für wenige Cent einen Stempel machen lassen. Der Besitz und Einsatz macht in meinen Augen kein Dokument legitimer oder wertiger.

Aber Aufwand verursacht es – weil ich beim ersten Mal keinen Stempel benutzt habe, mussten die kompletten Dokumente erneut erstellt, gestempelt und versandt werden. So verschwenden wir aufgrund von Bürokratie Zeit und Geld.

Was sind Deine seltsamsten Erfahrungen mit Bürokratie? Lass es mich in den Kommentaren oder sozialen Medien wissen!

Die Frage, wer man, politisch gesehen, ist (oder sein will), entscheidet über vieles. Die Partei, die Arbeitsgruppen, die Fraktion, die Karrierechancen…

In einem Wahljahr wie diesem denke ich viel darüber nach. Ich habe gemerkt, dass meine politische Identität eher einer gespaltenen Persönlichkeit gleicht.

Wie Menschen eingeordnet werden

Der bekannteste Weg zur schnellen Einordnung ist das Rechts-Links-Schema. Ursprünglich kommt es aus der Sitzordnung des Parlamentes in der Frankfurter Paulskirche. In dieser saßen die Abgeordneten konservativer Parteien rechts, während die progressiven Parteien eher links angesiedelt waren.

Das Schema hat bis heute überlebt. So (war) ist die CDU tendenzielle eine rechte (konservative) Partei, die SPD dagegen eher eine linke (progressive) Partei. Andere haben diese Einordnung sogar im Namen, beispielsweise die Linkspartei.

Dazwischen gibt es, zumindest in der Geschichte der Bundesrepublik, noch die Mitte, in der traditionell die liberale Partei zu finden ist. Mit dem Übergang zu einem Parteiensystem, in dem mehr als drei regelmäßig vertreten sind, gibt es eine beobachtbare Tendenz dazu, dass auch die großen Parteien versuchen, sich eher als „mittig“ einzuordnen, um damit möglichst viele Wähler anzusprechen. Das ist aber nicht Thema dieses Beitrags – vielmehr geht es mir, ganz egoistisch, um mich.

Ich war mal Mitte – was bin ich jetzt?

Ein kleiner Disclaimer vorab, ich war mal Mitglied der FDP, bin jedoch im inhaltlichen Streit um Datenschutzfragen aus der Partei ausgetreten.

Seitdem beobachte ich Debatten als politisch interessierter (und oft verdrossener) Bürger. Als Nachfolger und Unternehmer werden mir, ganz vorurteilsgemäß, bestimmte Positionen von Vornherein von Dritten unterstellt. So muss ich in dieser Rolle qua Amt für die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, gegen Sozialleistungen und gegen Steuern und Abgaben sein. Und vieles weitere mehr.

Schade nur, dass diese Vorurteile Quatsch sind. Ich würde jetzt gerne sagen, „meine Identität ist … “, allerdings kann ich auch das nicht. Denn es ist nicht eindeutig. In einigen Positionen bin ich konservativ (z. B. in der Frage, welche Anforderungen an Zuwanderung zu richten sind), in anderen klar liberal (insbesondere was die persönlichen Freiheits- und Abwehrrechte gegenüber dem Staat anbelangt), und in wieder anderen bin ich links (ich bin zum Beispiel Verfechter des Mindestlohns).

Pragmatismus und Überzeugungen – sind sie widersprüchlich?

Was bedeutet das nun für die Debatte? Zum einen bedeutet es, dass ich mich mit Parteien schwer tue. Klar, es gibt innerparteiliche Demokratie (meistens). Das Abstimmungsverhalten zeigt aber auch, dass es dann eben doch keine Gewissens-, sondern eine Fraktionsfrage ist.

Zum anderen bedeutet es für mich, dass der Rechts-Links-Narrativ ausgedient hat, denn in Gesprächen merke ich, dass diese Beobachtung nicht nur auf mich zutrifft.

Ein überzeugter Parteiangehöriger, egal welcher Partei, mag das als opportunistisch oder prinzipienlos sehen. Ich sehe es dagegen eher als Pragmatismus – oder das Prinzip, vernünftige Dinge nicht abzulehnen, nur weil sie nicht aus dem richtigen Mund kommen. Ich wünschte mir, die Politik könnte diesen Schritt auch tun. Eindimensionale Kategorien helfen uns nicht bei der Gestaltung einer multidimensionalen Wirklichkeit.

Das Thema Rente kam ja bei der Wahl kaum vor, bis auf die Frage des Eintrittsalters. Kurzer Disclaimer, ich schreibe diesen Beitrag einen Tag nach dem TV-Duell zwischen Martin Schulz und Angela Merkel.

Ich bin auch definitiv kein Experte für das Thema. Das heißt, alles was ich sage ist aus Sicht eines Laien und mit dem Versuch, gesunden Menschenverstand als Ersatz für mein mangelndes Fachwissen einzusetzen.

Eine Bestandsaufnahme

Für mich stellt es sich beim Thema Rente wie folgt dar:

  • Die staatliche Rente hat immer weniger Einzahler und immer mehr Bezieher mit steigender Lebenserwartung
  • Ergo gibt es drei Optionen, damit umzugehen:
    • Das Rentenniveau sinkt
    • Das Eintrittsalter steigt
    • Man benötigt zusätzliche Optionen
  • Es zahlen im Prinzip nur Arbeitnehmer ein, Selbständige und Beamte laufen komplett nebenher, oft auch deutlich besser gestellt
  • Rein mathematisch kann das, auch ohne Expertenkenntnisse, ja nicht auf Dauer gut gehen
  • Wenn die erwartete Rentenhöhe unter Grundsicherungsniveau ist, gibt es eigentlich keinen Grund, überhaupt darin einzuzahlen, der Antrag auf Grundsicherung ist dann die „attraktivere“ Option und erlaubt wenigstens mehr „Luxus“ in der Gegenwart

Das war jetzt sicher nicht alles, aber zumindest das, was ich, erst einmal, wahrnehme. Ich kann ja nur für mich sprechen, und da sehe ich, dass die Rentenansprüche, die ich so im meinem Umfeld höre, meine eigenen und die meiner Frau, eben alle aus meiner Generation, absolut lächerlich sind. Wenn wir keine Grundsicherung wollen, müssen wir mehr tun. Manche Optionen scheinen auch mathematisch (Rendite!) deutlich attraktiver auf lange Sicht, als die Einzahlung in die staatliche Rente.

Was wäre denn wirklich gerecht?

Im Wahlkampf kommt, gerade bei Rente, oft das Wort „Gerechtigkeit“ auf den Tisch. Frau Nahles, unsere (noch) Arbeitsministerin zum Zeitpunkt des Schreibens, schlug vor einiger Zeit vor, auch Unternehmer und Selbständige einzahlen zu lassen. Nun kann ich, als Betroffener, einfach aufheulen und dagegen argumentieren (können sich viele Selbständige gar nicht leisten, völlig unattraktiv, noch mehr zahlen für die Gemeinschaft bei schon riesiger Belastung, etc.)… oder ich kann fragen, was wirklich gerecht wäre.

Und das wird insbesondere Frau Nahles nicht gefallen. Die ist nämlich, obwohl sie noch nie etwas anderes als Politik gemacht hat, bestens und üppig versorgt. Weit besser, als ihre klassische Wahlklientel es jemals schaffen kann.

Wirklich gerecht für mich wäre, wenn nämlich auch der gesamte öffentliche Dienst in die gleichen Kassen einbezahlen, und auch von dort entnehmen. Natürlich dann auf wesentlich niedrigerem Niveau als aktuell. Es macht mich, ehrlich gesagt, sauer zu hören, dass gerade die eigene Gruppe bevorzugt sein soll, während man gleichzeitig laut von Solidarität und Gerechtigkeit schwadroniert.

Echte Gerechtigkeit heißt eben, dass auch die eigene Klientel dazu gehört

Von mir aus können gerne auch Unternehmer und Selbständige dann einzahlen. Wenn alle einzahlen sollen, heißt das eben auch alle. Von mir aus sollen Beamte dann auch in der Gegenwart besser bezahlt werden (ein beliebtes Argument zur Rechtfertigung der teils satten Pensionen – die Jobgarantie, absolute Sicherheit von allen Lebensumständen und -risiken, wird nicht so gern als geldwerter Vorteil gesehen, so scheint es mir). Es ist auch nicht unmöglich, das zeigt sich am Beispiel anderer Länder – nur für diejenigen, die es umsetzen müssen, gerade nicht attraktiv.

Und die bereits einmal geäußerte Gegenargumentation, dass dadurch kein Vorteil existiert, weil die Beamten ja dann auch entnehmen… das mag sein. Aber erstens gibt es keine Option mehr, es auf dem gleichen Niveau zu tun (das funktioniert mathematisch nun wirklich gar nicht, selbst für einen Laien wie mich), und zweitens sprechen wir doch über Gerechtigkeit. Wenn alle, dann wirklich alle. Nicht immer nur ausgeben, sondern auch mal dazu einen eigenen Beitrag leisten. Das könnte auch dazu beitragen, die teils sehr gegensätzlichen Lebensrealitäten mal langsam wieder anzunähern. Ich denke, das würde dem politischen Betrieb wirklich gut tun.

Die Solidarität von anderen zu fordern ist eine tolle Gelegenheit, mit gutem Beispiel voranzugehen. Share on X

Vielleicht könnte man dann bei der Gelegenheit auch mal kurz über unser Krankenversicherungssystem nachdenken, und das auch gerade vereinheitlichen. Niveau anheben, es fällt ja auch dann viel Aufwand und Bürokratie weg…das würde vielen Menschen helfen.

Ich habe lange überlegt, ob ich zu diesem Thema überhaupt schreiben soll. Allerdings finde ich mich so oft in Diskussionen dazu wieder, dass ich mich besser fühle, es mal zu „Papier“ zu bringen.

Zudem ist das Thema gerade brandaktuell. In einigen Ländern wird Homöpathie mehr oder minder verboten, in anderen wird sie stark gepusht. Nicht zuletzt begegnet das Thema mir auch in meinem Privatleben zunehmend.

Was ist Homöopathie?

In kürzester Form handelt es sich dabei um eine durch Samuel Hahnemann entwickelte Lehre. Ihre Basisannahme ist, dass Krankheiten (oder genauer: Symptome) durch das Mittel kuriert werden können, das sie auch auslöst. Wenn auch in stark verdünnter Form.

Diese Mittel wurden durch wiederholte Verdünnung „potenziert“ und aufgrund eines „Gedächtnisses“ des Trägermittels seien sie dann, obwohl chemisch (praktisch) kein Ausgangswirkstoff mehr enthalten ist, dennoch wirksam. Oder sogar wirksamer.

Gleich vorab: Aus Sicht seiner Zeit und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln hat Hahnemann nachvollziehbare Annahmen getroffen und versucht, sie systematisch zu belegen. Er hat also wissenschaftlich gearbeitet!

Ja, und was ist nun Dein Problem?

Bei aller Bewunderung und Anerkennung für die Arbeit Hahnemanns im Kontext seiner Zeit – nach allen neueren Erkenntnissen ist Homöopathie genau eines: Ein teures Placebo.

Und da ich leider dennoch, immer und immer wieder, mit den gleichen, sachlich falschen Argumenten angegriffen werden, würde ich gerne die Klassiker darunter noch einmal aufgreifen und klarstellen. Zudem stört mich ohne Ende, dass Homöopathie trotzdem auch institutionalisiert wird, bspw. durch die Legitimierung durch Senatorinnen, die es besser wissen müssten. Das ist für uns als Gesellschaft eine ernsthafte Gefahr. Und das hängt mit den angesprochenen Klassikern der Argumente von Homöopathie-Befürwortern zusammen:

“Ach, nimm es doch nicht so persönlich, es schadet ja auch nicht!“

Doch, das tut es. Nämlich immer dann, wenn aufgrund des Glaubens an Homöopathie nachweislich wirksame Therapien abgelehnt werden. Dadurch kommen Menschen zu Schaden – bis hin zum Tod. Ich finde das inakzeptabel und unentschuldbar. Jeder darf glauben. Wenn das Leben auf dem Spiel steht, sollte man wissen. Nicht glauben. Ich gehe wenn ich krank bin zu einem ausgebildeten Mediziner, nicht zur Oma der Nachbarin, weil die auf irgendwelche Mittelchen schwört. Klingt komisch? Nun, transferier es mal auf Dein Auto. Wenn das kaputt ist, gehst Du damit vermutlich auch nicht zu einem Priester, sondern zur Werkstatt.

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man noch die Ironie darin erkennen, dass es in den USA vielleicht zu Todesfällen kam, weil homöpathische Mittel wider Erwarten Inhaltsstoffe enthielten.

Mal abgesehen von all dem, es schadet dem Geldbeutel. Bitte einfach mal kurz nachrechnen. Zucker ist einer von mehreren genutzten Trägern für Globuli. 1kg Zucker kostet sicher noch keine 2€. Wieviele Globuli kann ich daraus erstellen? Tausende, schätze ich. Und die kosten sicher keine 2€. Eher 200. Und laut dem, was ich so lese, auch sehr viel mehr als das.

“Wir verstehen es nur noch nicht, deshalb darfst Du es doch nicht unwirksam nennen!“

Doch, das darf ich. Die wissenschaftliche Methode, die einzige, die wir als Menschheit bislang kennen, die reproduzierbare und vor allem falsifizierbare Ergebnisse bringt, basiert genau auf dieser Prämisse: Eine Hypothese, ein System, wie es auch die Homöopathie ist, muss falsifizierbar sein. Indem sich die Befürworter gegen jede Kritik oder jeden Gegenbeweis immunisieren, indem sie behaupten, man verstehe es einfach noch nicht, wenden sie sich effektiv gegen den Schöpfer der Lehre. Hahnemann war Mediziner und Wissenschaftler – ob er das akzeptiert hätte?

Noch einmal zum mitschreiben: Wenn eine Hypothese im Raum steht, muss sie widerlegt werden können und dürfen. Und viele der Hypothesen der Homöopathie sind längst widerlegt. Wirkstoffe werden nicht wirksamer, wenn sie nicht mehr existent sind. Das widerspricht immer wieder, teilweise seit Jahrhunderten erneut belegten Naturgesetzen. Es gibt kein Gedächtnis des Trägers – denn wenn es das gäbe, wäre er bei der Herstellung mit so viel “hochpotenzierten Inhaltsstoffen” (lies: völlig natürlichen Verunreinigungen) in Kontakt gekommen, dass die Zahl der Nebenwirkungen gemäß homöopathischer Lehre komplett explodieren müsste.

Und Wirksamkeit darf keine Abhängigkeiten haben. Wenn es wirklich wirksam wäre, wäre es das bei jedem Menschen. Ohne, dass dafür Glauben erforderlich ist. Das ist auch nicht der Fall. Es gibt keine wissenschaftlich formal korrekt durchgeführte Studie, die eine Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus belegt.

Wem das zu akademisch ist – bringt mir eine ganze Packung Eures „stärksten“ Homöopathikums und ich futtere sie gerne vor Euren Augen. Leider werdet Ihr dabei enttäuscht sein, denn es wird keine Wirkung haben.

“Aber es hilft mir doch immer!“

Nein, tut es nicht. Es geht Dir vielleicht besser, und das koinzidiert vielleicht mit der Einnahme von Globuli. Das reicht aber noch lange nicht, um einen kausalen, reproduzierbaren Zusammenhang darzustellen. Und schon gar nicht, um mit einer Stichprobe von 1 eine stichhaltige Hypothese für alle anderen Menschen aufzustellen.

Sind wir mal ehrlich. Die meisten Dinge, für die man Globuli einnimmt, wären vermutlich von alleine auch besser geworden. Denn meistens geht es dabei um Erkältungen oder ähnliches. Das, was wirklich passiert, ist dass Du Dich besser fühlst. Daraus einen kausalen Heilungszusammenhang konstruieren geht nicht.

Und jetzt noch ein paar ganz kurze Klassiker

  • “Aber wie kann es denn dann bei Kindern/Tieren wirken, die glauben da noch gar nicht dran?!? So, jetzt hab ich Dich!“ — Nein, hast Du nicht. Auch dieses Phänomen ist hinlänglich untersucht. Es hängt mit der positiven Erwartungshaltung des Verabreichenden zusammen, der sogenannte “Placebo-by-Proxy”-Effekt.
  • „Aber es gibt doch homöopathische Ärzte!“ — Auch Mediziner müssen ihre Brötchen verdienen. Da es eine Nachfrage gibt, die zudem kassenrechtlich komplett anders geregelt ist (lies: lukrativer), können sie so massiv ihre Einnahmen erhöhen. Das kann man werten wie man will. Fakt ist aber auch, der Begriff „Homöopathischer Arzt“ heißt übersetzt „Unwissenschaftlicher Wissenschaftler“. Das ist wie „Schwarzer Schimmel“, „Gerade Kurve“, oder ähnliches. Ein kurzer Lacher, aber in sich natürlich Blödsinn. Wer mehr aus Sicht eines Mediziners lesen will, dem sei Natalie Grams sehr ans Herz gelegt.
  • „Ja, aber wenn es doch nicht wirkt, warum bezahlen es dann die Kassen?“ — Nicht alle Kassen erstatten Homöopathie, allerdings zunehmend mehr. Ich halte das für bedenklich. Der Grund ist natürlich banal, denn auch Versicherungen sind Unternehmen. Die Nachfrage nach etwas zu befriedigen, verschafft ihr Kunden und damit Einnahmen. Ganz simpel.
  • „Aber die Politik und die Hochschulen engagieren sich doch auch dafür, dann muss doch was dran sein!“ — Nein, denn auch diese beiden brauchen etwas von den Kunden. Geld und Stimmen. Die kommen durch Studentenbeiträge und Homöopathie-Hersteller, die Lehrstühle finanzieren (übrigens lustigerweise das, was „Big Pharma“ (TM) immer vorgeworfen wird), oder durch Wählergruppen
  • „Das ganze ist aber doch günstiger, und solange es hilft…“ — Das dachten viele. Die Forschung legt nahe, dass es eben nicht so ist, sondern sogar teurer und unwirksam. Und nun ratet mal, zu wessen Lasten das geht? Richtig, dem der Beitragzahler
  • „Ist doch klasse, hat keine Nebenwirkungen!“ — Richtig, weil keine Wirkung

Gehts Dir jetzt besser?

Nein, nicht wirklich. Aber angesichts des konzentrierten Blödsinns mit unhaltbaren, falschen oder komplett verdrehten Argumenten, den ich zunehmend höre und lese musste es einfach mal raus.

Und mal unter uns: Es ist völlig ok, wenn jemand in seiner Freizeit Zuckerkügelchen einwerfen will. Es allerdings auf meine Kosten (ich zahle auch Krankenversicherung!) zu tun und Wirksamkeit, die klar widerlegt ist, zu propagieren, das ist nicht ok. Homöopathie ist ein Glauben, keine belegbare Lehre. Glauben gehört in die eigenen vier Wände und sollte niemand betreffen, der das nicht möchte. Dazu finde ich es extrem bedenklich, dass es „Lehrstühle“ dafür gibt und sich die Politik (der Treppenwitz schlechthin, eine für Wissenschaft zuständige Senatorin!) nicht davon distanziert.

Ich wünschte mir hier klare Ansagen, wie es sie schon in einigen anderen Ländern gibt. Glaube ist und bleibt eben Privatsache.