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…zumindest diejenigen, die mir am häufigsten begegnen.

Wenn Menschen über Unternehmensnachfolge sprechen, begegnen mir immer wieder Fehlannahmen oder (in meinen Augen) falsche Behauptungen. Das passiert meist im Gespräch, bei den diversen Veranstaltungen rund um Gründung und Nachfolge.

Hier sind die drei, bei denen ich am häufigsten die Stirn runzele, weil ich sie für falsch halte. Oder zumindest in der Absolutheit nicht korrekt.

“Nachfolge ist etwas anderes als Gründung“

Gleich mit der ersten Aussage haben wir einen solchen Fall. Natürlich ist es in einigen Punkten ein wenig anders, als das Neugründen eines Unternehmens.

Allerdings ist es in anderen Punkten sehr viel ähnlicher, als man meint. In beiden Fällen werden an Dich die gleichen Anforderungen gerichtet sein. Risikobereitschaft, Durchhaltevermögen, Kreativität und Verhandlungsgeschick. Zuversicht, Wissen und Zuverlässigkeit. Innovativität, der Zukunft zugewandt und natürlich auch Fleiß. Das unterscheidet sich in beiden Fällen nicht.

Es sind auch, im Wesentlichen, ähnliche Schritte nötig. Du brauchst eine Idee für das Unternehmen, einen Plan für Produkte, Marketing, Vertrieb, Personal und Finanzen. Beratung und Kapital sind vermutlich auch nötig. Und Du brauchst Kunden, Kontakte und Strategie.

Insofern ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass Nachfolger auch als Gründer gelten, wenn es um Fördermittel und ähnliches geht. Sie gründen ja auch. Nur auf Basis eines bestehenden Unternehmens. Womit wir direkt bei der nächsten Fehlannahme sind.

“Nur als Neugründer kann ich wirklich was neues tun, mein Ding eben“

Wenn das so wäre, wäre das fatal für all die Unternehmen, die schon mehrere Generationen existieren. Denn wenn eines absolut sicher ist, ist es der Wandel. Kein Unternehmen kann lange überleben, indem es immer das gleiche auf die gleiche Art tut. Und damit meine ich ganz bewusst nicht nur Produkte und Dienstleistungen, oder Prozesse und Personal. Ich meine damit insbesondere Kultur, neue Märkte und Evolution in einer sich ändernden Umwelt.

Als Nachfolger solltest Du eben nicht annehmen oder gar planen, dass „alles so weiter geht wie bisher“. Das wäre nämlich eine Strategie, die fast sicher scheitert. Sowohl Dein Team, als auch Deine Kunden erwarten nämlich durchaus einige Änderungen von Dir. Die können inkrementell sein, sie können schrittweise und kleiner sein, als jetzt zum Beispiel als Maschinenbauer plötzlich Finanzconsulting anzubieten. Aber ein „weiter so“, gerade in unserer Zeit, erscheint doch als eine recht fahrlässige und wenig vielversprechende Strategie.

Du kannst im Rahmen der Nachfolge genauso gut gestalten, wie bei einer Neugründung. Nur die Basis ist eine andere, möglicherweise eine größere und stabilere. Gute Produkte und Dienstleistungen, oder noch wichtiger, ein gutes Team bereits zu Beginn zu haben ist kein Nachteil. Eher das Gegenteil.

“Ich kann doch nur Nachfolger sein, wenn ich vom Fach bin“

Ich hatte im vergangenen Monat mein zehnjähriges Jubiläum in meinem Unternehmen. Wenn diese Aussage wahr wäre, wäre ich nie dahin gekommen. Denn ich bin weder Sozialrechtler, noch Programmierer. Ich bin absolut nicht vom Fach. In manchen Branchen ist das vielleicht etwas wichtiger, aber ich bin absolut überzeugt: Du musst nicht vom Fach sein, um erfolgreich zu übernehmen. Im Gegenteil, in vielen Fällen glaube ich, dass das Gegenteil hilfreich ist.

Das berühmte „out of the box“-Denken fällt nämlich viel einfacher, wenn man nie in dieser Box war. Als fachfremder Nachfolger hast Du es sicherlich manchmal im Gespräch mit Deinem Team nicht einfach. Und ja, ein wenig Fachkenntnisse um mitzureden musst Du aufbauen. Allerdings gibt Dir Deine Position auch die Option, Dich voll auf das Skillset zu konzentrieren, das leider oft vor lauter fachspezifischen Kenntnissen vernachlässigt wird: Führung, im Sinne von Teamentwicklung.

Darin liegt, in meinen Augen, der Schlüssel für erfolgreiche Nachfolge, denn die Arbeit der Zukunft ist im Wesentlichen an das Wissen und die Skills von Menschen gekoppelt. Diese optimal zusammen zu bringen, sie zu entwickeln, zu motivieren und zu einem erfolgreichen Team zu formen, das ist Deine Aufgabe, Deine Herausforderung.

Vielleicht kennst Du ja auch solche Aussagen? Lass sie mich wissen, dann kann ich sie hier gerne ergänzen!

Wenn ein Unternehmen wächst, wird zwangsläufig der Punkt kommen, an dem Du als Nachfolger und Unternehmer nicht mehr alle im Team direkt führen kannst. Eines gleich vorab: Mir geht es hier um Leadership, nicht darum, Aufgaben zu verteilen. Letzteres ist keine Führung in meinen Augen. Damit Du also nicht zum Engpass für Deine Unternehmensentwicklung wirst, werden Dich Menschen in der Führung unterstützen müssen. Aber was genau suchst Du dabei?

Es kann helfen, Deine Erwartungen schriftlich festzuhalten

Ich arbeite gerade unter anderem an etwas, was ich für mich als Führungskodex bezeichne. Darin will ich klar festhalten, was meine Erwartungen an eine Führungskraft sind. Die allermeisten Punkte, die ich bislang erarbeitet habe, sind Übungssache. Deshalb halte ich den Kodex auch für so wichtig, weil er eine Beschreibung der Entwicklung einer Führungskraft ist.

Auf der Wissensebene steht darin nicht viel. Eher im Gegenteil. So möchte ich zum Beispiel nicht, dass eine Führungskraft die meiste Fachkenntnis hat. Eher im Gegenteil, wenn ich wählen muss. Natürlich freue ich mich, wenn jemand Ahnung von einem Fachgebiet hat. Aber das Fachgebiet einer Führungskraft ist Führung. Und genau deshalb steht es so im Kodex. Nur allzuoft wird die beste Fachkraft zur Führungskraft befördert, was eigentlich niemandem hilft. Man kann nicht führen, wenn man das nicht möchte. Und Fachkenntnis befähigt einen auch nicht dazu.

Verhaltensweisen sind viel wichtiger als Wissen

Wo ich sehr viel mehr Erwartungen habe, ist im Bereich des Verhaltens und des Mindsets. Einige Beispiele:

  • Ein Leader sollte verlässlich in seinem Verhalten sein. Menschen, die in einem Moment anders reagieren als im nächsten, sind für ihre Teams schwierig. Sicherheit, das Gefühl immer alles sagen zu können, ist für den Erfolg eines Teams elementar wichtig. Damit diese Sicherheit gegeben ist, braucht es Führungskräfte, die diese Sicherheit geben. Durch Worte, aber vor allem durch ihr eigenes Verhalten.
  • Die Fähigkeit zum Zuhören ist enorm wichtig. Wie oft ich mich selbst dabei ertappe, wie ich durch Reden die Chance verpasst habe, wichtige Information zu hören, kann ich kaum zählen. Deshalb übe ich regelmäßig, und erwarte das auch von anderen Führungskräften.
  • Damit zusammenhängt auch die Fähigkeit, Fragen zu stellen. Wer nur Aussagen trifft, führt nicht, sondern verteilt Aufgaben. Denn er geht davon aus, alles schon zu wissen. Diese Annahme ist in aller Regel falsch, weshalb Fragen stellen elementar wichtig ist.
  • Eine Führungskraft braucht ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein gepaart mit dem Fokus auf Teamwork. Über letzteres sprechen wir alle oft. In der Realität ist es aber so, dass nur dann erfolgreiche Teams entstehen, wenn jedes einzelne Element den eigenen Beitrag dazu begreift und für die eigenen Ziele und Ergebnisse die volle Verantwortung übernimmt. Die Teamleader müssen da mit gutem Beispiel voran gehen.

Das waren jetzt vier von vielen Punkten, die ich von Leadern erwarte. Was sind denn Deine persönlichen Anforderungen?

Es gibt traditionell einiges, worüber wir im Unternehmen nicht sprechen. Geld dürfte dabei das größte Thema sein. Aber auch Ausblick, aktuelle Lage oder die Verfassung des Unternehmers und seine Aufgaben sind oft unterbeleuchtet. Aber warum eigentlich?

Über Geld spricht man nicht

So haben wir es von unseren Eltern gelernt, und in Unternehmen wird nicht darüber gesprochen. Es ist eher die Ausnahme, dass man weiß, wieviel die Kollegen verdienen oder wie sich das Gehalt zusammensetzt. Von den Chefs ganz zu schweigen. Klar, mit einem Tarifvertrag kann ich das extrapolieren. Aber die meisten Unternehmen sind nicht tarifgebunden.

Woher genau die Angst kommt, über das eigene Geld, das anderer und das des Unternehmens zu sprechen, weiß ich nicht. Es ist aber so, dass es selten passiert, geschweige denn gefördert wird. Ich frage mich oft, welcher Schaden potentiell entstehen kann. Neid? Unverständnis? Urteile gegenüber anderen? Vermutlich ist das so, wo Menschen arbeiten, da menschelt es. Allerdings verpasst man damit eine Chance. Denn das, was für Dich als Nachfolger und Unternehmer vielleicht völlig selbstverständlich ist, ist Deinem Team vielleicht gänzlich unklar. Ein einfaches Beispiel: Das Verhältnis von Umsatz, Kosten und Gewinn.

Ist doch einfach, oder? Aber nur, wenn Du dauernd damit zu tun hast

Nun magst Du glauben, dass jeder um Dich herum weiß, wie es sich mit diesen Variablen verhält. Das ist nicht so. Ich hatte bislang zwei Situationen, in denen ich offene Kommunikation zum Vorteil meines Teams und meines Unternehmens nutzen konnte.

Das erste Mal war ein Jahr, in dem es zahlreiche politische Entscheidungen gab bzw. nicht gab, was unseren Markt faktisch über 18 Monate lahm gelegt hat. Wir sind also mit einer Hypothek ins Folgejahr gestartet. Entlassungen wären ohne eine besondere Anstrengung unvermeidlich gewesen. Meine Mutter und ich haben damals das Team versammelt, und Tacheles geredet. Alle Karten auf den Tisch gelegt, inklusive der möglichen Konsequenzen. Ich weiß nicht, ob es ein Rezept für eine erfolgreiche Art und Weise gibt. Es sind ja zwei mögliche Reaktionen denkbar: Angst oder Motivation. Wir haben letzteres erreicht. Das Team hat die Offenheit honoriert, indem es eine besondere Leistung gebracht hat. Wir haben das Jahr überstanden und konnten auf dieser Basis weiter aufbauen. Ich glaube, ohne diese Offenheit wäre das nicht möglich gewesen.

Man kann nur ausgeben, was man hat

Die alte Weisheit ist so profan, dass man sich selten Gedanken darüber macht. Die zweite Chance, Offenheit zu nutzen, ergab sich bei den Jahresgesprächen im vergangenen Jahr.

Wir hatten erfolgreiche Jahre hinter uns, die Umsätze stiegen, wir konnten viele zurückgestellte Investitionen tätigen. Serverraum, Renovierung, Umbauten, neue Schreibtische, all das wurde getan. Natürlich haben wir auch die Gehälter angepasst. Für dieses Jahr allerdings kündigte ich ein Sparjahr an, trotz guter Auftragslage. Das hat viele im Team irritiert.

Für mich war es klar: Ich hatte noch eine sehr große Investition vor der Brust, und hatte weitere Gehaltsanpassungen eingeplant – im Endeffekt rechnete ich mit einer schwarzen Null. Auch der Begriff Sparjahr klang vielleicht dramatischer, als es von meiner Seite aus geplant war. Mir ging es darum, optionale Ausgaben zu vermeiden, die in vergangenen Jahren noch ohne weitere Überlegungen gemacht wurden.

Bei meinem Team kam etwas anderes an: Trotz einem Rekordumsatz nach dem anderen müssen wir sparen – irgendwas läuft hier schief, wir verstehen das nicht.

Es war eine Chance, zu lernen

Dieses Missverständnis wurde, dank unserer sehr offenen Gesprächskultur, schnell thematisiert. Und mir bot sich damit die Chance, einiges zu lernen und auch etwas weiter zu geben.

Ich habe mir alle Zahlen der vergangenen Jahre genommen und daraus Grafiken erstellt. Die beiden wichtigsten waren…

  • wie sich unsere Ausgaben prozentual verteilen (Menschen, Geräte, Lizenzen, usw.), und
  • die Gegenüberstellung von Umsatz- zu Ausgabenentwicklung, und zwar spezifisch auf die Menschen bezogen (effektiv: alle personalbezogenen Kosten).

Mit diesen Grafiken habe ich dann erläutert, wie sich unsere Kosten zusammensetzen, wie sich die Umsätze entwickelt haben und worin wir Gewinne investiert haben.

Der Termin war ein großes Aha-Erlebnis. Ich konnte meinem Team zeigen, dass die Ausgaben für sie exakt parallel zu den Umsätzen stiegen. Mit anderen Worten, was wir mehr erlösten floss und fließt ins Team. Auch den Begriff „Sparjahr“ habe ich erläutern können, denn er klang dramatischer, als es wirklich gedacht war. Das zeigte mir noch einmal, wie wichtig Kommunikation als Führungskraft ist! Und das Team gab mir viel positives Feedback und wir konnten diese Transparenz, auch mit Zahlen, in unsere Kultur einbauen. Jetzt wird nämlich aktiv danach gefragt und es auch als Motivation und Hilfe bei der Zielsetzung erkannt. Und sie verstehen, warum Umsätze alleine noch keine Aussage darüber treffen, wie erfolgreich wir sind.

Die Erkenntnis: Transparenz lohnt

Dieses Erlebnis hat mir und meinem Team viel gebracht. Gegenseitiges Verständnis, Offenheit und Klarheit über das, was die Arbeit jedes einzelnen zu den Unternehmenszielen beiträgt. Ich kann es nur empfehlen, es auch mal zu versuchen. Nicht offen zu kommunizieren war, rückblickend, ein viel größeres Risiko.

Einen Mangel an Vorurteilen gibt es in keinem Bereich. Meist sind Vorurteile geprägt durch Unwissen. Als Nachfolger und Unternehmer begegnet mir davon eine ganze Menge. Speziell was das Thema Unternehmensnachfolge angeht, habe ich vier Mythen immer wieder gehört, die ich gerne entzaubern möchte.

Mythos 1: Du brauchst Fachkenntnisse

Ich denke, dieser Mythos kommt aus dem Bereich des Handwerks und/oder der Einzelunternehmer. Da ergibt diese Aussage auch Sinn. Allerdings kann man es deshalb nicht auf alle Nachfolgen übertragen.

Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass es sehr hilfreich sein kann, wenn man, zumindest in Unternehmen mit vorhandenem Team, als Nachfolger kein Fachmann ist. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • Betriebs-/Fachblindheit ist bei Dir nicht gegeben. Das erlaubt es Dir, die schmerzhaften Fragen („Ja, schön, dass es schon immer so gemacht wurde – nur warum?“) zu stellen, die Dein Unternehmen voran bringen
  • Du kannst Dich besser auf Deine Rollen und Aufgaben konzentrieren. Mit den beiden Bereichen jenseits der Fachkraft bist Du sicherlich genug ausgelastet
  • Du brauchst eh schon eine eigene Fachkenntnis, nämlich die der Führung. Diese erlernst Du mit der Zeit und solltest auch dafür den Kopf frei haben

Diese Denkweise hat bei mir gut funktioniert. Ich bin kein Programmierer und ändere daran auch bewusst nichts. Allerdings musst Du aufpassen: Es ist ein schmaler Grat zwischen Konzentration auf die eigenen Aufgaben und schlichter Ignoranz. Letzteres ist schädlich. Du gibst dem Team dann das falsche Bild.

Deshalb mein Rat: Verstehe, was in Deinem Unternehmen passiert. Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, delegier sie nicht weg, sondern arbeite Dich in die spezifische Frage ein und frage Dein Team solange, bis Du eine Entscheidung treffen kannst. Die einfachen Entscheidungen und die alltägliche Detailarbeit kannst Du aber dem Team überlassen. Dieses Vertrauen zahlt sich langfristig aus.

Mythos 2: Nachfolge – ist doch easy

Eine meiner Lieblingsmythen, weil er zumindest mir immer wieder begegnet. Viele Menschen argumentieren, dass die Gründung ja schwierig war und eine Leistung – es zu übernehmen allerdings nicht. Es fallen dann oft Floskeln, wie „das gemachte Nest“.

Ich habe das eine zeitlang sehr persönlich genommen und war auch verletzt, wenn diese Aussage fiel. Inzwischen kann ich es entspannter sehen – denn meistens kommt eine solche Aussage von Menschen, die weder gegründet haben noch Nachfolger waren. Und vergleichende Aussagen unter diesen Umständen muss man nicht zu ernst nehmen.

Dennoch möchte ich dem inhaltlich widersprechen. Die Situationen von Gründern und Nachfolgern sind sehr unterschiedlich, das stimmt. Der eine hat noch keine Kunden oder Produkte, der andere schon. Es klingt also im ersten Moment eindeutig. Allerdings hat der Nachfolger in aller Regel auch Verbindlichkeiten und Verpflichtungen, denen er nachkommen muss. Schließlich will das Team auch weiterhin, völlig zurecht, sein Gehalt. Betrachtet man nur diesen einen, sehr einfachen, Vergleich, sieht man schon recht schnell, wohin der Vergleich führt: Die Herausforderungen sind andere, aber keines von beiden ist deutlich leichter. Weitere Beispiele habe ich als Podcast und in diesem Blog unter dem Stichwort „Altlasten“ bereits genannt. Die Liste lässt sich beliebig lange fortsetzen.

Spannenderweise kenne ich kaum Nachfolger, die selbst mit dieser Denkweise an das Thema herangingen, obwohl der Mythos weit verbreitet ist. Den Grund kenne ich nicht.

Es ist aber sicher kein Zufall, dass formaljuristisch Gründer und Nachfolger gleich behandelt werden, zum Beispiel bei Förderprogrammen. Im Endeffekt haben sie viele Gemeinsamkeiten, nämlich insbesondere im Themenbereich Unternehmertum, aber auch viele unterschiedliche Herausforderungen – ohne dass für meine Begriffe die eine oder andere Gruppe besonders bevorteilt ist.

Mythos 3: Du brauchst einen Führungsstil, entscheide Dich

Zu diesem Mythos habe ich ja schon im vorletzten Beitrag vor vier Wochen einiges gesagt. Ich denke, einen einheitlichen, immer anwendbaren Führungsstil gibt es nicht. Im Gegenteil, jeder Stil, den man so in Lehrgängen oder Literatur findet, ist immer ein Idealtyp. In der Realität wird bspw. der autoritäre Stil in Reinform nicht vorkommen.

Und das ist auch gut so. Die Realität ist ja auch nicht eindimensional, also werden eindimensionale Lösungen wohl eher nicht funktionieren. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Situationen, unterschiedlicher Menschen, unterschiedlicher Herausforderungen, ja bis hin zur eigenen Tagesform. Sich bei so vielen Variablen auf eine einzige Lösung festlegen erscheint mir schlicht dumm.

Meine Erfahrung bislang ist, dass Führung zur Hälfte aus erlernbaren Werkzeugen und Methoden besteht und zur anderen Hälfte aus Erfahrung. Beides kann man lernen, aber nur eines gezielt. Wenn man das tut, helfen die Beschreibungen, die sich hinter verschiedenen Stilen verbergen, um Dinge zu erklären oder zu verstehen.

In der Praxis anwenden solltest Du sie aber nicht, sondern vor allem für die Menschen und die Situationen passend führen.

Mythos 4: Du musst zum Unternehmer berufen sein

Wenn dieser Mythos zuträfe, gäbe es diesen Blog nicht. Ich war immerhin rund die Hälfte meines Lebens der Ansicht, dass ich zum Journalisten berufen bin und habe auch stark darauf hin gearbeitet.

Klar, es gibt viele schillernde Figuren unter den Unternehmern, Steve Jobs, Elon Musk, Bill Gates, Mark Zuckerberg und wie sie alle heißen. Bei Gesprächen oder Berichten über diese Leute fällt oftmals unbedarft eine Aussage wie sie seien „die geborenen Unternehmer“.

Dass dies generelle Voraussetzungen für Dich als Nachfolger ist, möchte ich aber in Frage stellen. Sicherlich gibt es Skills und Werkzeuge, ebenso wie bestimmte Verhaltensweisen, die Unternehmer lernen. Aber der Begriff sagt es schon, sie lernen es. Manche haben vielleicht mehr Talent, oder eine andere Ausgangslage, die sie in die Lage versetzten früher Unternehmer zu sein als andere. Oder erfolgreicher.

Daraus zu schließen, dass man dazu geboren oder berufen sein muss, geht mir aber zu weit. Ich habe in den letzten sieben Jahren jeden Tag neues gelernt, viele Ansichten geändert und neue Sichtweisen kennengelernt. Wir akzeptieren das, denke ich mal, alle als normal für das Leben. Warum sollte es dann für den Teilbereich Unternehmertum anders sein?

Ich behaupte, dass man Unternehmer sein lernen kann, auch ohne von vornherein nur das im Auge gehabt zu haben. Es mag Menschen mit mehr Talent, besserer Ausgangssituation oder einmaligen Gelegenheiten geben. Ich fände es aber schade, wenn immer alle diese Faktoren zusammen kommen müssten – dann würden ja faktisch keine oder kaum Nachfolgen stattfinden.

Kennst Du weitere Mythen und Vorurteile?

Das waren meine Top 4 der Vorurteile, mit denen ich des öfteren konfrontiert bin. Ich gehe davon aus, dass es noch viel mehr gibt.

Welche sind Dir bislang begegnet? Lass es mich gerne wissen!

Eines der schwersten und umfangreichsten Themen, die ich kenne, ist das Thema Führung. Als Nachfolger bist Du, unter Umständen sehr plötzlich in der Rolle, andere führen zu müssen. Ich habe selbst dabei eine ordentliche Ladung Fehler gemacht, viel darüber gelesen und lerne eigentlich immer wieder dazu. Einen kleinen Teil davon möchte ich Dir heute weitergeben.

Zuerst würde ich gerne mit zwei Mythen rund um das Thema Führung aufräumen, die mir immer wieder begegnen. Anschließend gebe ich der Versuchung nach, einige Dinge zu nennen, die man sinnvollerweise unterlassen sollte. Versuchung deshalb, weil es eigentlich besser ist, Positivbeispiele zu bringen – aber gerade im Bereich Führung gibt es einfach zu viele schöne Negativbeispiele, mit denen die meisten etwas anfangen können. Als Abschluss gibt es meine persönlichen Top drei Tipps zur Führung eines Teams als Nachfolger.

Mythen um das Thema Führung

Steigen wir mit zwei Mythen ins Thema ein. Der ein oder andere mag das vielleicht anders sehen, aber ich halte zwei der am häufigsten geäußerten Aussagen zu Führung für Mythen.

Die erste ist, dass es Führungsstile gibt. Jeder hat das bestimmt schon einmal gehört. Meist fallen dabei Begriffe wie „autoritärer Stil“, „kooperativer Stil“, und noch einige mehr.

Als Orientierung hat diese Einteilung einen gewissen Wert, anhand solcher klaren Archetypen kann man gut beschreiben. Verfeinert wird das Konzept dann oft noch um die situative Führung, d. h. dass je nach Situation einer dieser Archetypen passender ist, oder nicht.

Ich halte das inzwischen für einen Mythos. Ich glaube, Führungsstil, wenn es so etwas gibt, ist zum einen etwas zutiefst persönliches, und es lässt sich nicht anhand klarer Kriterien beschreiben. Zudem ist Führung auch eine Entwicklung. Insbesondere gute Führung, kann man erlernen und üben. Und da ist auch das zu finden, was eher meiner Überzeugung entspricht: Es gibt gute und schlechte Führung. Ich kann und will solche Aussagen wie „Die brauchen eben mal einen Anschiss, anders kapieren die es nicht!“ nicht akzeptieren. Ich denke, gute Führung funktioniert immer, schlechte Führung scheitert immer.

Gute Führung funktioniert immer, schlechte Führung scheitert immer. Share on X

Was den persönlichen Stil angeht denke ich, dass man gar nicht erst versuchen sollte, ihn anhand von Kriterien, Einordnungen oder Situationen zu beurteilen – sondern lieber danach, ob er richtig und damit langfristig erfolgreich ist. Hier greift für mich klar das Konzept von ethical leadership.

Die unterschiedlichen Generationen – vielleicht gar nicht so unterschiedlich?

Der zweite Mythos ist das Thema Generation X, Y, Z und was alles noch kommen mag. Ich lese immer wieder, dass jede dieser Generationen eigene Bedürfnisse an Führung hat, und sie deshalb unterschiedlich geführt werden müssen oder sollen. Auch das kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Ich glaube, dass wenn man ein Team um sich versammelt, das wichtige Werte teilt, und es gut führt, es keine Rolle spielt, wann jemand geboren wurde. Richtige Führung muss für Menschen jeden Alters funktionieren, falsche wird Menschen jedes Alters abstoßen.

Bekannte Führungsfehler

Die Liste denkbarer Fehler in Sachen Menschenführung ist praktisch endlos. Ein paar Beispiele habe ich aber herausgepickt, die mir im Kontext der Nachfolge begegnet sind.

  • Micromanagement: Auch wenn es unglaublich schwer fällt, speziell in druckvollen Situationen, Micromanagement ist falsch! In Episode 10 von Follow-Up.fm habe ich über die verschiedenen Rollen eines Nachfolgers gesprochen. Insbesondere, wenn Du Fachkraftaufgaben, die Du vielleicht mal selbst wahrgenommen hast, abgegeben hast, kommt es immer wieder vor, dass Du Dir denkst „boah, also ich hätte das jetzt ganz anders gemacht, oder schneller, oder besser…“ und die Folge ist, dass Du eingreifst. Das ist, sofern es mal vorkommt, auch nicht tragisch – es bleibt aber oft nicht dabei. Die Folgen dieser Angewohnheit sind auf mittlere Sicht aber verheerend: Teammitglieder, die hochmotiviert und fähig sind, empfinden Micromanagement als Bevormundung und zu Recht als Herabwürdigung ihrer Fähigkeiten. Das Ergebnis ist, dass sie gehen werden. Und die, die Dinge noch lernen müssen, lernen niemals, sich selbst zu informieren und eigene Ideen einzubringen. Du schaffst dadurch also eine Klonarmee von Dir selbst. Ich habe das Glück, dass mich mein Team immer darauf hinweist, wenn ich drohe, in diese schlechte Angewohnheit zu verfallen.
  • Motivieren: Der ein oder andere wird jetzt denken, wie ich denn dazu komme, Motivation unter Führungsfehler zu fassen. Nun, es ist simpel. Der Fehler liegt darin zu glauben, dass Du viel motivieren kannst! Für die Motivation des Teammitglieds gibt es genau einen Verantwortlichen: Das Teammitglied selbst. Was Du aber sehr wohl tun kannst, ist zu demotivieren. Das solltest Du immer im Hinterkopf behalten – Deine Aufgabe als Nachfolger ist es, die Rahmenbedingungen optimal zu gestalten und dafür Sorge zu tragen, dass die sogenannten Hygienefaktoren passen. Viel mehr Einfluss hast Du aber dann auch nicht. Alles weitere folgt aus dem Inneren Deines Teams und dessen Übereinstimmung mit den Werten und Zielen des Unternehmens.
  • Das Beispiel anderer: Gerade in einem so riesigen Themenfeld wie Führung sucht man immer nach Orientierung, nach Hilfestellung. Ich selbst tue das auch, indem ich viel darüber lese und mich mit anderen Unternehmern austausche. Dabei gibt es aber eine nicht zu unterschätzende Gefahr, nämlich die, dass man die Lösungen anderer einfach übertragen will. Nur ist der Kontext nie der gleiche, selbst wenn es ähnlich aussieht. Andere Menschen, andere Geschichte, andere Denkweisen, es gibt viel zu viele Variablen. Deshalb lass Dich ruhig inspirieren, aber überprüfe ob eine Idee innerhalb der Werte Deines Teams und Dir ok ist. Dann probiere sie aus, wenn Du davon überzeugt bist. Auch Führung kannst Du, ganz Nachfolge-StartUp, iterativ verbessern, durch Versuch und Irrtum. Passt es, behalte es bei, passt es nicht verwirf es wieder.
  • Mangelnde emotionale Kontrolle: Als letztes Beispiel, dass mir selbst begegnet ist, möchte ich emotionale Selbstkontrolle nennen. Jeder von uns ist leidenschaftlich und emotional. Und wir sollten es auch sein, wenn es um unser Nachfolge-StartUp und um unser Team geht. Allerdings ist es sehr wichtig, nicht volatil zu sein. Gute Führung besteht für mich auch darin, berechenbar für mein Team zu sein, und nicht je nach emotionalem Status unterschiedlich zu reagieren. Oder möchtest Du, dass Dich Dein Boss in einer Situation zum Bier einlädt und Dich am nächsten Tag in identischer Situation anschreit? Sicher nicht! Bei allen, zum Teil auch unangenehmen und schweren Dingen, die uns als Nachfolger begegnen, halte ich diesen Fehler für mit am schwersten vermeidbar. Du bist schließlich auch nur ein Mensch. Mir passiert es auch, dass ich manchmal falsch reagiere, weil ich gerade aufgewühlt bin. Der erste Schritt, einen Fehler abzustellen, ist es, ihn zu erkennen. Also beobachte Dich und andere und achte mal darauf, wie sehr die Reaktionen durch Emotionen beeinflusst sind.

Meine Top 3 Tipps für die Führung als Nachfolger

Wie ich bereits eingangs sagte, zu diesem Thema, also dem, was ich als ethical leadership, als richtige Führung, bezeichne, kann man viel sagen und schreiben. Ich denke, es wird dazu mindestens noch ein oder zwei Blogartikel geben – vielleicht ja auch inspiriert durch Dein Feedback. Für heute habe ich Dir drei persönliche Tipps versprochen, und hier sind sie:

  1. Sich nicht im Kopf einschränken lassen: Ich denke, aus dem, was ich als Mythos bezeichne und meiner Warnung vor dem Kopieren von anderen wurde das schon deutlich. Inspiration kannst und solltest Du Dir holen. Aber lege über alles den Filter der Werte Deines Teams und Dir. Wenn sich etwas komisch oder falsch anfühlt, ist da meist die Ursache zu suchen. Und etwas auszuprobieren kann auch mal ergeben, dass es, obwohl es vielleicht gut ist, für Dich nicht passt. Nichts ist in Stein gemeißelt, gerade wenn es um Menschen geht!
  2. Immer bei Dir selbst zuerst suchen: Damit meine ich die Fehler. Ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe, aber ich las den Satz „Jedes Problem in einem Unternehmen ist ein Führungsproblem“. Eine Weile hielt ich das für Quatsch, inzwischen glaube ich immer mehr, dass es stimmt. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es unglaublich gut angenommen wird, wenn man als Nachfolger einfach auch mal zu einem Teammitglied geht, und sich für einen Führungsfehler entschuldigt. Such immer zuerst bei Dir, und wenn Du fündig wirst, stell das Problem ab – nicht, indem Du es unter den Teppich kehrst, sondern indem Du es offensiv ansprichst und etwas dagegen tust.
  3. Gib etwas weiter: Bei einem sehr kleinen Unternehmen mag das vielleicht noch nicht so relevant sein, aber spätestens ab zehn Leuten kristallisiert sich eine Gruppe von Führungskräften heraus, wenn sie nicht eh schon vorher da war oder bestimmt wurde. Für diese Leute musst Du ein Vorbild sein – das betrifft natürlich vor allem das, was ich als Fehlerbeispiele gebracht habe, also sie zu vermeiden und auch darüber zu sprechen, wenn Du sie beobachtest. Es gilt aber auch klar durch Vorbild zu zeigen, was denn Deine Kernwerte in der Führung sind. Es ist Dein Job, Dein Team dahin zu bringen es zu verstehen und umzusetzen, also mache diesen Job. Nur im äußersten Notfall ist jemand wirklich nicht mehr lernfähig oder -willig. Insbesondere dann, wenn es eine Deiner Führungskräfte ist, ist es dann Deine Aufgabe, die Reißleine zu ziehen. Denk immer daran, jede Führungskraft hat nach spätestens drei Jahren das Team, das sie verdient.

Die Kunst der Führung

Abschließend vielleicht noch ein schönes Zitat: Daniel F. Pinnow schreibt in seinem Buch „Führen – Worauf es wirklich ankommt“ (bei Amazon bestellen), dass Führung „die Kunst ist, eine Welt zu erschaffen, der andere gerne angehören wollen“. Das ist für mich eigentlich die beste Definition, die ich kenne. Und neue Welten zu erschaffen ist ja genau das, was wir mit unseren Nachfolge-StartUps tun wollen.

Deshalb noch einmal die Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:

  • Achte nicht zu sehr auf irgendwelche wissenschaftlichen Definitionen – achte lieber darauf, das richtige zu tun
  • Vermeide die großen Klassiker der Führungsfehler, die Dir natürlich auch in der Nachfolge begegnen.
  • Führung ist ein Prozess und eine Entwicklung, die StartUp-Methoden helfen hierbei
  • Fang bei der Fehlersuche immer bei Dir zuerst an
  • Im Kampfsport heißt es: “Die Qualität eines Meisters zeigt sich am Fortschritt seiner Schüler“. Das trifft auch auf Führung zu

Ich hoffe, dass ich Dir mit diesem Beitrag ein paar Denkanregungen geben konnte. Wie immer freue ich mich auch über Dein Feedback, egal ob als Kommentar, per Mail oder via Social Media.

 

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