Viele Unternehmen klagen über den Fachkräftemangel. Ganz besonders kleine Unternehmen in ländlichen Gegenden leiden darunter. Die meisten Menschen versuchen, in Richtung Stadt zu ziehen. Damit wird der Pool potentieller Teammitglieder klein und der Konkurrenzkampf groß.
Das richtige Team ist entscheidend
In vielen Beiträgen schreibe ich darüber, wie Du als Nachfolger und Unternehmer auf die richtigen Mitreisenden achten sollst. Oder wie Du sie auswählst. Oder wie Du sie führst.
Das alles nützt aber nichts, wenn Du niemanden findest. Deshalb denke ich, dass gerade die Unternehmensnachfolge die Chance ist, über neue Wege nachzudenken. Einer dieser „neuen Wege“ ist das Thema Familienfreundlichkeit. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, älterer Führungskräfte mit anderer Sozialisation und oft einfacheren Tätigkeiten spielte es oft keine Rolle. Ein ehemaliger Kanzler nannte es auch „Gedöns“, was bis heute sinnbildlich für die Wertung des Themas ist. Das hat sich nun radikal verändert.
Die Gesellschaft ändert sich – die Unternehmen auch
In den letzten Jahrzehnten ist gesellschaftlich vieles passiert. Die Rollenbilder haben sich verschoben. Väter, die statistisch immer noch oft der Haupternährer einer Familie sind, haben neue Ansprüche an diese Rolle. Es reicht nicht mehr, abends kurz gute Nacht zu sagen und am Wochenende mit dem Nachwuchs zu spielen. Mütter wollen sich längst nich mehr nur um Nachwuchs oder Eltern kümmern, sondern auch Karriere machen. Teilzeitarbeitsmodelle genießen großen Zuspruch, selbst vormals undenkbare Führungspositionen werden mit reduzierter Stundenzahl ausgeübt. Das alles passiert, während die Menschen tendenziell weniger und älter werden, das Gesamtangebot also sinkt.
Für Unternehmen bedeutet das, dass ein Umdenken nötig ist. Die Nachfolge ist der ideale Zeitpunkt. Jeder Generationenwechsel ist auch die Chance für einen Kulturwechsel. Wo die Elterngeneration (nicht immer, aber oft) eher dem alten Bild anhängt, kennt die Nachfolgergeneration bereits die neue Realität oder lebt sie selbst vor.
Familienfreundlichkeit ist sowohl richtig, als auch nützlich
Für mich stellt sich die Frage schlichtweg nicht, ob diese Dinge sinnvoll sind. Selbst wenn sie nur Zusatzkosten verursachen würden (Spoiler: Das ist nicht der Fall!), wären sie einfach richtig. Unternehmen sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. In dem Maße, in dem sich die Gesellschaft wandelt, müssen sich auch Unternehmen anpassen.
Aber vielleicht darf man auch konkret die Vorteile sehen. Familienfreundliche Unternehmen (mindestens im Saarland gibt es dafür auch ein Zertifikat als Nachweis) haben Vorteile im Wettbewerb um Fachkräfte. Wenn eine Mutter hört, dass es hier kein Problem ist, wenn das Kind krank ist, sie es unter Umständen sogar einfach mitbringen kann, dann kann das der ausschlaggebende Punkt für eine Bewerbung sein. Oder wenn ein Vater hört, dass hier auch andere Väter diese Rolle gemäß ihren Ansprüchen ausleben können, ist das Bonus. Wenn Familien generell immer auch Teil der „Unternehmensfamilie“ sind, weil sie bei allen Festen selbstverständlich dabei sind, bewerben sich Menschen, die diese Werte teilen.
Es kostet Geld – und spart Geld
Ein Eltern-Kind-Zimmer, wie ich es in meinem Unternehmen habe, ist nicht ganz günstig. Und ja, die Ausfälle wegen Krankheit, Betreuung, Pflege oder ähnlichem, es gibt sie. Sie stellen uns auch regelmäßig vor Herausforderungen, ganz besonders als kleiner Betrieb. Und dennoch möchte ich es auf keinen Fall anders. Denn das Team teilt meine Werte und geht dafür dann, wenn es notwendig ist, die berühmte „Extrameile“. So gleicht sich das Investment problemlos aus.
Dazu kommt, dass ich auch im Recruiting damit argumentieren kann. Selbst Menschen, die (noch) keine Familie haben, können sich damit angesprochen fühlen. Sie wissen, „hiermit kann ich auch in der nächsten Lebensphase planen“. Das reduziert Fluktuation, und damit Kosten.
Lange Rede, kurzer Sinn: Liebe Nachfolger, es gibt viele gute Gründe, die Umbruchssituation zu nutzen, um auch einen kulturellen Umbrauch herbeizuführen. Dafür sprechen höhere Motivation, verbessertes Recruiting, geringere Fluktuation und auch einfach Zufriedenheit. Informationen gibt es zum Beispiel bei der „Servicestelle Arbeiten und Leben“ oder beim Netzwerk „Erfolgsfaktor Familie“.