Gerade in Familienunternehmen, bei denen die Inhaber Kinder haben, kommt die Frage früher oder später, meist am Küchentisch: „Und, willst Du nicht vielleicht in die Firma einsteigen?“
Aus Sicht der Eltern ist das mehr als verständlich. Man hat Jahre seines Lebens in etwas investiert, vielleicht auch auf Kosten anderer Wünsche. Dann liegt es nahe, dass es erhalten werden soll. Auch in Politik und Gesellschaft liegt der Schwerpunkt der Diskussion bei der Nachfolge immer auf dem Erhalt: Des Unternehmens, des Lebenswerks, der Arbeitsplätze…
Ich denke, als (potentieller) Nachfolger sollte man sich davon nicht zu sehr beeinflussen lassen. Die Wünsche anderer sind meist ein schlechter Ratgeber – und „Erhalt“ alleine ein mangelhaftes Motiv in einer Zeit des Wandels.
Mythos Erhalt: Das gemachte Nest ist nicht passend
Ich hatte es bereits im vorletzten Beitrag angerissen. Die Zeiten, in denen wir leben, sind höchst spannend, aber auch herausfordernd. Wo es vielleicht vor 50, 100 oder 200 Jahren völlig legitim war, „nur“ in die nächste Generation zu gehen, ist das heute unzureichend. Technik und Gesellschaft entwickeln sich in einer Geschwindigkeit, die noch vor zwei Generationen völlig unvorstellbar war. Konnte man sich damals in ein „gemachtes Nest“ setzen, ist dieses Nest vielleicht heute den Anforderungen nicht mehr gewachsen.
Deshalb ist es fahrlässig, bei der Unternehmensnachfolge nur den Erhalt des Unternehmens im Auge zu haben. Das soll aber auf keinen Fall abschrecken. Die Situation ist ein perfekter Ausgangspunkt für die Erneuerung. Ob das Nest dabei nur geflickt wird, oder auf einen ganz anderen Baum umzieht, steht dabei auf einem anderen Blatt.
Definiere genau, was Du erhalten willst
Es stellt sich also die Frage, wie man mit den zum Teil widersprüchlichen Motiven und Erwartungshaltungen umgehen kann. Mein Rat ist es, für Dich genau zu klären, was Du erhalten willst.
Bei mir steht auf Platz eins klar das Team. Direkt dahinter folgen Teile der Unternehmenskultur. Das impliziert schon, dass auch bei so etwas zentralem Wandel möglich (und vielleicht notwendig!) ist. Erst auf Platz drei folgen bei mir Produkte und Dienstleistungen. Dann alles andere.
Was vielleicht auffällt, ist dass bekannte Floskeln wie „das Lebenswerk meiner Eltern“ keine übergeordnete Rolle spielen. Das ist emotional sicherlich mit in Team und Kultur enthalten, aber sollte Deinen Kurs nicht steuern. Sonst bist Du effektiv nur der verlängerte Arm, die Fortsetzung – aber kein echter Nachfolger mit eigenem Profil. Ich empfände es auch als sehr kritisch, wenn jemand zu mir kommt und mir den Nachfolger mit den Worten „das ist mein Sohn und Nachfolger, für Sie ändert sich nichts“ vorstellt. Wozu dann nachfolgen, wenn alles so bleibt? Braucht es dann überhaupt einen Nachfolger? Sind solche Situationen nicht der Ausgangspunkt vieler Mythen zu diesem Thema?
Die Nachfolge ist eine ideale Ausgangslage
Dadurch, dass bereits etwas da ist, bist Du als Nachfolger in einer nahezu idealen Ausgangslage. Du kannst nämlich, wie oben beschrieben, die schönsten Kirschen herauspicken. Such Dir aus, was Du erhalten willst und überlege Dir, was erneuert werden muss – Du kannst den Kuchen haben und ihn auch essen!
Die Nachfolge ist eine ideale Situation: Kirschen herauspicken und erneuern. Share on XLass Dir aber mit dem Essen nicht zu viel Zeit. Eine stabile Basis für Entwicklung zu haben bedeutet dennoch, dass sie auch angegangen werden muss. Der häufigste Bereich, in dem Du vermutlich aktiv sein wirst, ist die Digitalisierung. Diese betrifft sowohl Deine internen Prozesse, als auch Deine Produkte und Dienstleistungen. Obwohl dieses Thema auch im öffentlichen Diskurs wohl die derzeit höchste Aufmerksamkeit genießt, empfehle ich Dir auch dringend aus eigener Erfahrung, das Thema Unternehmenskultur zu betrachten. Die Kultur ist für das Finden der richtigen Menschen, die Dich auf Deiner Reise begleiten, ein entscheidender Faktor, und es ist sicherlich ein Thema für einen eigenen Blogbeitrag.
Was sich, zumindest bei mir bewährt hat, ist die Zahl der Großprojekte zu beschränken. Lieber wandelt man konstant in kleinen Schritten, und passt den Kurs wenn nötig an. In dieser Hinsicht sind StartUps mit ihren iterativen Methoden sehr gute Vorbilder.
Der Erhalt muss Sprungbrett für das Neue sein – es heißt nicht umsonst FührungsWECHSEL
Egal, was Öffentlichkeit, Vorgänger oder Politik sagen, der Erhalt von Unternehmen alleine rechtfertigt in den meisten Fällen keine Nachfolge. In Deinem eigenen Sinn sollte es auch nicht Dein einziges Motiv sein. Du kannst und solltest sicherlich einige Dinge erhalten, aber auch viele ändern. Schließlich soll das Nest, in das Du Dich setzt, auch den nächsten Sturm überleben und nicht vom Baum fallen, nur weil niemand es geflickt hat.
Ich wünsche mir deshalb, dass vor allem bei Dir, aber auch gerne in der Öffentlichkeit, Erhalt nur noch in einem Atemzug mit Erneuerung genannt wird. Diese Weiterentwicklung ist doch das spannende! Was kann es denn interessanteres geben, als einen Teil dazu beizutragen, Zukunft mit zu gestalten? Jedenfalls nicht, Vergangenheit zu verwalten! Für mich ist das der richtige Antrieb: Das Fahrzeug sollte einen Rückspiegel haben, aber es fährt nach vorne.
Zukunft gestalten statt Vergangenheit verwalten - das ist moderne Unternehmensnachfolge. Share on XWas mich natürlich interessiert, ist wie Ihr das seht, oder wie Eure Erfahrungen in diesem Bereich sind. Lasst es mich gerne wissen, entweder als Kommentar, oder per Mail oder Social Media. Die Links sind auf diesem Blog jeweils oben und unten auf der rechten Seite hinterlegt.